Dieses Jahr stehen der Haushalt, die Haushaltsberatungen und die Haushaltsverabschiedung ganz im Zeichen der Coronapandemie. Wir alle sind bestrebt, uns kurz zu fassen. Dem will ich nachkommen.
Die Ausgangslage nach den Kommunalwahlen 2020 im Kreis Wesel
Die sog. Jamaica-Kooperation verstärkte sich durch ein Einzelmitglied der FWG und stellt so auch in dieser Wahlperiode die Gestaltungsmehrheit im Kreistag dar. Dem bisherigen, nicht mehr zur Wahl stehende SPD Landrat Dr. Ansgar Müller, folgte Ingo Brohl von der CDU.
Damit war auch der Auftrag bzw. die Rollenzuweisung für uns als stärkste Oppositionsfraktion geklärt. Als weitere Unterstützung sagte ein KT-Mitglied der FWG seine enge Mitarbeit in unserer Fraktion zu, die seitdem somit über 20 Stimmen im Kreistag verfügt, also ca. 30%.
„Opposition im Weseler Kreistag mit uns kritisch und konstruktiv“, definierte meine Fraktion ihren Anspruch und ihre zukünftige Zielsetzung.
Sachpolitik
So haben wir uns zum Ziel gesetzt, mit gut durchdachten und begründeten Anträgen in den Fachausschüssen und im Kreistag zu punkten. Populistisch einfach nur zu fordern, ohne die Realisierungsmöglichkeiten zu beachten, ist für uns nicht der richtige Ansatz. Wir recherchieren, sprechen mit Betroffenen und Fachleuten und sind bestrebt, fachlich nachvollziehbar unsere realistischen Forderungen in zielgenaue Anträge zu kleiden. Wir wollen uns, neben der Wahrnehmung unserer Kontrollfunktion mit Blick auf den Landrat, konstruktiv in das politische Geschehen einbringen, um in den wichtigen Kernbereichen Soziales, Wirtschaft, Bildung, Arbeitsmarkt, Mobilität, Digitales, Klima- und Umweltschutz sowie Kultur für die Menschen im Kreis mehr zu erreichen.
Wie erheben den Anspruch, die Zukunft im Kreis mitzugestalten. Die Zusammenarbeit mit allen demokratischen Fraktionen im Kreistag ist möglich, von uns angeboten und angestrebt.
Die durch uns ein- und durchgebrachte Resolution zum Schutze des Grundwassers, um den Kiesabbau in Wasserschutzgebieten zu verhindern sowie das Industrie- und Gewerbeflächenkonzept des Kreises Wesel zeigten bereits Erfolge aus unserer Sicht. In diesen, wie in vielen anderen Fragen, ist sich die Kooperation nicht einig. Das Mehrheitsbündnis erscheint so nur als ein Machterhaltungsbündnis zur Verteilung von Pöstchen.
Wir halten an unserem sachorientierten Kurs fest.
Beispiel Herdenschutz
Ich mache das einmal exemplarisch an unserem Antrag „Herdenschutz“ fest.
Dieser hat die Zielsetzung, konkrete Hilfestellung und Beratung vor Ort für die betroffenen Weidetierhalter im Kreis Wesel durch den Kreis zu organisieren und das möglichst unverzüglich. Aus den Reihen der einschlägigen Verbände sowie von vielen Züchter*innen gab es durch die Bank dazu nur positive Reaktionen.
Die Antwort des Landrates war ein von der Kreisverwaltung schnell nachgeschobenes, ähnlich zu unserem Antrag gelagertes Papier, das in der Zielsetzung jedoch deutlich zurückblieb und keine verantwortungsvolle und schnelle Umsetzungsbereitschaft erkennen ließ. Der Landrat zog sich aus seiner Verantwortung und zeigte mit dem Finger auf das Land. Seine halbherzige Drucksache wurde dann von der Kooperation im Fachausschuss und im Kreisausschuss lediglich und unverbindlich „zur Kenntnis“ genommen, unser Antrag hingegen, der für die Weidetierhalter konkreten Herdenschutz vom Kreis forderte, wurde abgelehnt.
Hier wird deutlich, dass wider besseres Wissens votiert wird, weil die konstruktive und zielgerichtete Initiative offensichtlich von der „falschen“ Fraktion kommt.
Ich finde so ein Verhalten des Landrates und der Kooperationsfraktionen nicht nur peinlich. Es macht zudem deutlich, dass die Kooperationsfraktionen entweder ihr Zusammenspiel schlecht organisiert bekommen oder programmatische sowie organisatorische Mängel mit reflexhaftem Abblocken durchdachter Anträge ihres politischen Gegenspielers beantworten. Ich fürchte, durch ähnlich nicht souveränes Verhalten wird sich die Kooperation zukünftig noch häufiger hervortun.
Der neue Landrat
Das Thema Herdenschutz stellt aber auch eine verpasste Gelegenheit für Landrat Ingo Brohl dar. Hier wäre es ihm ein Leichtes gewesen, sich eindeutig für die betroffenen Weidetierhalter einzusetzen und ein Herdenschutzzentrum im Kreis Wesel unverzüglich auf den Weg zu bringen, anstatt sich vor der Verantwortung zu drücken und eine schnell zusammengestrickte Spiegelstrichliste seiner Verwaltung der Politik lediglich „zur Kenntnis“ vorzulegen. Dem selbsternannten Anspruch „Landrat für alle sein zu wollen“, wird er so nicht gerecht.
„Herr Brohl, wenn Sie die Wölfin „Gloria“ bzw. das Wolfsrudel schon nicht im sprichwörtlichen Schnellschuss erledigen können, sollten Sie Ihr kommunales Handeln strikt in den Dienst unserer leidtragenden und betroffenen Bürger*innen stellen und Verantwortung übernehmen.“
Es geht mir jetzt nicht darum, die nicht wenig lange Liste „Pleiten, Pech und Pannen“ aufzumachen, das haben wir bereits anlässlich „100 Tage Landrat Brohl“ getan und ihm – auch weil die Pandemiebekämpfung zugestandenermaßen viele Kräfte gebunden hat – weitere 100 Tage Schonfristverlängerung eingeräumt. Es verbleiben also noch 59 Tage.
Aber auf DEN Sündenfall unseres neuen Landrats muss ich hier leider doch noch näher eingehen.
Referentenstellen
Die Schaffung von zwei, zudem noch beamtete persönliche Referentenstellen für den Landrat, die unbefristet in den Stellenplan gedrückt wurden, ist allerdings der „erste große Paukenschlag“ von Landrat Brohl und erntet vielfach nur entsetztes Kopfschütteln.
Gegen eine „sauber“ und mit Augenmaß praktizierte Vorgehensweise wäre nichts einzuwenden gewesen. Wenn etwa lediglich eine Referentenstelle auf Angestelltenbasis, ohne Inanspruchnahme des Stellenplans und zeitlich befristet auf die jetzige Wahlperiode vom Landrat in Anspruch genommen worden wäre, hätte sich jegliche Kritik an dem Vorgang erübrigt. Auch von uns.
Herrn Brohls vorschnelle und sachlich dünn begründete Vorgehensweise ist „ein Schlag ins Gesicht“ auch den Kreisbediensteten gegenüber, die zusehen müssen, wie hochdotierte Quereinsteiger, zudem offensichtlich noch politisch motiviert, auf Beförderungsposten gehoben werden. Landräte kommen und gehen, aber verbeamtet eingestellte Kräfte bleiben, auch mit erheblichen finanziellen Folgen, die sich für die beiden Referentenstellen grob gerechnet – über die Jahre bis zu deren Pensionierung – bis in den Millionenbereich hinein addieren werden.
Letztlich zahlen hier die kreiseigenen Städte und Gemeinden, die sich ihrerseits einer strikten Haushaltsdisziplin ausgesetzt sehen, die ihnen vom Kreis als Aufsichtsbehörde Jahr für Jahr auferlegt wird, die Zeche über die Kreisumlage.
Haushalt 2021
Soweit einige offene und kritische Bemerkungen zur politischen Situation im Kreistag aus Sicht der SPD Faktion. In Haushaltsreden nehmen eigene politische Positionierungen und Wertungen der Fraktionen traditionell einen wesentlichen Schwerpunkt ein. Sie dienen der Standortbeschreibung. Aber nun zum Haushalt 2021 konkret.
Vorab: Der Haushalt 2021 ist, noch in der Ära Dr. Ansgar Müller, vom Kreiskämmerer Herrn Borkes sowie von seinen Mitarbeitenden solide, detailliert und übersichtlich aufgestellt worden. Dafür sage ich Ihnen allen herzlichen Dank. Besonders bei Ihnen, Herr Borkes, bedanke ich mich für Ihre Bereitschaft, uns in unserer Haushaltsklausur offen und konstruktiv zur Verfügung gestanden zu haben.
Zu den von uns und von den anderen Fraktionen eingebrachten Anträgen haben wir uns argumentativ in den Debatten und Abstimmungen der Fachausschüsse sowie im Kreisausschuss eingebracht. Dies hier alles zu wiederholen dürfte den Rahmen sprengen und erscheint mir hier nicht notwendig.
Einiges möchte ich jedoch der Wichtigkeit halber hervorheben:
Die Stellenplanausweitung ist in weiten Zügen begründet und nachvollziehbar. So unterstützen wir vor allem die vorgesehenen Entfristungen von Zeitverträgen in Folge von Verstetigung der Aufgaben. Mitarbeitenden hier Arbeitsplatzsicherheit zu geben, ist sehr zu unterstützen. Zudem sind die zusätzlichen Stellen im Gesundheitsbereich dringend erforderlich, um der Aufgabenerfüllung auch in diesen Panademiezeiten gerecht zu werden.
Besonders hier rächte sich der Ansatz der Kooperation, in den letzten Jahren rigoros Stellenplanstreichungen vorgenommen zu haben. Das wird nun wenigstens zum Teil korrigiert.
Nicht nachvollziehbar sind die beiden Planstellen für die persönliche Referentin und den persönlichen Referenten des Landrats. In der Form und Anzahl lehnen wir diese Stellen – wie weiter oben ausgeführt – ab.
Investitionen dienen der Gestaltung der Zukunft und sind somit als Grundelemente der Daseinsvorsorge zu werten. Dabei nehmen die Investitionen in den Bildungsbereich eine Zentralstellung ein. „Beste Bildung für alle“ ist für uns Sozialdemokraten ein Grundanliegen und dient der Chancengleichheit sowie der vertikalen sozialen Durchlässigkeit nach oben. Gut ausgebildete junge Menschen sind ein wesentlicher Standortfaktor für Gewerbe und Industrie, wovon wiederum unsere kommunalen Haushalte gespeist werden. So gesehen sind die „Jahrhundertinvestitionen“ in den Campus Moers sowie in das Berufskolleg Dinslaken, aber auch in die weiteren Schulen in Trägerschaft des Kreises, nur zu begrüßen. Dafür haben wir lange Jahre gegen vielerlei politische Widerstände ankämpfen müssen, letztlich aber breite Mehrheiten gefunden. Ich hoffe, dieser Konsens „Bildung first“ hält.
Unsere Erwartungen an die Haushaltumsetzung durch den Landrat
Der vorgelegte Haushalt bietet für die Verwaltung eine Grundlage zur Umsetzung wichtiger Zukunftsthemen. Dazu gehören neben der aktuell alles überdeckenden Pandemiebekämpfung, auch Impulse für eine bessere Mobilitätsinfrastruktur, für mehr aktiven Klimaschutz, die bessere Ausstattung unserer Bildungsinfrastruktur und den Erhalt unserer sozialen Netzwerke sowie für eine bürgerorientierte Digitalisierungsstrategie der Verwaltung.
Wir wollen und werden diese Entwicklung auch weiterhin mit zielgerichteten Anträgen unterstützen und werben hierfür – trotz der manchmal infantilen Ablehnung von allen Maßnahmen, die die Überschrift der SPD tragen durch einzelne Jamaicaner – auch weiterhin für Mehrheiten.
Eine chaotische und willkürliche Haushaltspolitik, wie sie das Bündnis mit dem „aus der Hüfte geschossenen“ Antrag präsentiert, auf den ich gleich etwas genauer eingehen werde, lehnen wir jedoch ab.
Es macht keinen Sinn pauschal den Stellenplan mit einem Deckel zu versehen, der die Streichung von sechs Stellen beinhaltet, wenn man zugleich sprachlos zusieht, wie der Landrat in seinem Umfeld fleißig eine Stellenmehrung zu Lasten anderer Aufgaben in den Stellenplan einbauen lässt.
Unsere Stellungnahme zur Haushaltspolitik der Jamaica-Kooperation
Mit ihrem gemeinsamen Antrag möchte sich die Kooperation sowohl als sparsam, als auch als sozial orientiert verkaufen. Beides ist sie nicht!
Man möchte sich dafür feiern lassen, gegenüber dem Haushaltsplanentwurf nahezu 100.000,- € zusätzlich für Anträge Dritter, vor allem auch für soziale Aufgaben zu genehmigen. Das ist ein doppelter Etikettenschwindel. Warum?
Zunächst ist der erforderliche Mehraufwand nur halb so hoch, weil man die gewährten Bezuschussungen für den NABU und die Sozialpsychiatrischen Zentren aus dem Haushalt 2020 herausgerechnet hat. Zudem steht er auch noch im krassen Gegensatz zum realen Bedarf.
Alleine die Antragsteller aus dem sozialen Bereich haben höhere Zuschüsse in einem Umfang von rund 92.000,- € beantragt. Die Wohlfahrtsverbände haben diese Erhöhungsanträge schlüssig mit den notwendigen Aufwendungen für die kontinuierlichen Personal- und Sachkostensteigerungen begründet. Sie wünschen lediglich eine Anpassung der Förderung ihrer z.T. sogar pflichtigen Leistungen, an die allgemeinen Kostensteigerungen. Diese Anträge werden mehrheitlich von Jamaica, ohne eine nachvollziehbare Begründung, rein willkürlich, in nur reduzierter Form unterstützt. Das kommt in einzelnen Fällen faktisch einer Kürzung von sozialen Leistungen gleich.
Die „Dynamisierung“ der Zuschüsse an die Wohlfahrtsverbände, um gemäß den jährlichen Kostensteigerungen Planungs- und Finanzierungssicherheit zu gewährleisten, ist der Ansatz der SPD.
Der Ansatz von Jamaica ist die Verteilung von Zuschüssen nach „Gutsherrenart“ mit stetig sinkendem Anteil an den Gesamtkosten. Diese als „sparsame Haushaltsführung“ begründete Haltung steht im krassen Gegensatz zum „Stillhalten“ der Jamaica-Kooperation bei der dauerhaften Installation von zwei Vollzeitreferenten des CDU-Landrats. Die Personalkosten einer Referentenstelle in einem halben Jahr würden ausreichen, um alle Zuschussanträge für soziale Zwecke, wie die Schwangerschaftskonfliktberatung oder die Drogenberatung auch antragskonform und sachgerecht zu unterstützen.
Zugespitzt formuliert: Die Wohlfahrtseinrichtungen müssen für die zusätzlichen Referenten des Landrats bezahlen. Das ist keine Sachpolitik – das ist politische Selbstbedienung zu Lasten des sozialen Netzes.
Stellenplan, Kreisumlage und Haushalt 2021
Dem Stellenplan im Haushalt 2021 des Kreises Wesel stimmen wir nach gründlicher Abwägung zu.
Dem Umlagesatz 2021 des Kreises Wesel i. H. v. 36,4 % sowie der Jugendamtsumlage i. H. v. 23,81 % stimmen wir nach gründlicher Abwägung zu.
Dem Haushalt 2021 des Kreises Wesel stimmen wir nach gründlicher Abwägung zu.
Gerd Drüten
Vorsitzender