Offener Brief der SPD-Fraktion an die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU, Bündnis90/Die Grünen, FDP/FWG und Die Linke im Kreistag Wesel

Die Fraktionsvorsitzenden sowie der Landrat haben im Rahmen einer
Telefonkonferenz am 16. April d.J. getagt und sich mehrheitlich dafür
ausgesprochen, die Fachausschüsse, den Kreisausschuss (KA) und den Kreistag
(KT) für den jetzt anstehenden zweiten Sitzungszug wieder im gewohnten
Turnus in persönlicher Präsenzform einzuberufen.

Die Kreisverwaltung solle, so Hinweise von Seiten der Vertreter der
Kooperation, für größere Sitzungsräume sorgen, um den
Mindestsicherheitsabstand zu wahren und Handdesinfektion bereitstellen. Das
gälte auch für die Sitzungen der beiden großen Fraktionen, die
abstandswahrend im großen Sitzungssaal stattfinden könnten. Der Kreistag
selbst könne dann in einem externen Großsaal tagen, was zusätzliche Kosten
erzeugen würde.

Wie sich der Verlauf der Coronakrise in Deutschland entwickeln wird, kann
zum jetzigen Zeitpunkt keiner verlässlich sagen. Sicher ist, die
einschränkenden Maßnahmen, als „shutdown“ bezeichnet, werden uns alle noch
lange begleiten und uns abverlangen, vorübergehend auf gravierende
Freiheitsrechte zu verzichten. Bundesregierung und Fachwissenschaft raten
dringend dazu, mit Lockerungen sehr restriktiv zu verfahren und weiterhin
alle nicht wirklich dringenden Kontaktsituationen auszuschließen. Dazu
zählen m. E. auch nicht unbedingt notwendige politische Gremiensitzungen im
Kreis Wesel, wie sie Sitzungen nichtbeschließender Ausschüsse darstellen.

Wir stehen als politisch gewählte kommunale Vertreter*innen in besonderer
Verantwortung und haben eine Vorbildfunktion. Bevor noch nicht klar ist, ob
wir mit unseren Bemühungen nun wirklich den Zenit der Neuinfektionen sicher
und dauerhaft überschritten haben, ist Abstand halten (social distancing)
der einzig probate Weg, mit Covid 19 umzugehen. Keiner hat Verständnis
dafür, wenn überall und teilweise mit großem Aufwand die Risiken minimiert
werden und die Kreispolitik sich und andere unnötigen Gefahren aussetzt.
Dadurch besteht die Gefahr, dass die Anstrengungen und Maßnahmen von Bund
und Land unterlaufen werden, die Coronakrise mit vereinten Kräften zu
überwinden.

Der Kreistag kann, wenn und solange nach § 11 IfSBG-NRW eine epidemische
Lage von landesweiter Tragweite festgestellt ist und mit in Textform
erfolgter Zustimmung von zwei Dritteln seiner Mitglieder, Angelegenheiten,
die seiner Beschlussfassung unterliegen, an den Kreisausschuss delegieren.
Die Feststellung einer epidemischen Lage von landesweiter Tragweite durch
den Landtag gilt nach § 11 IfSBG-NRW zunächst für zwei Monate und ist somit
in Nordrhein-Westfalen zurzeit bis zum 14.06.2020 befristet. In diesem
Zeitraum würde auch die Mehrzahl der Ausschusssitzungen stattfinden.

Der Blick auf die Altersstruktur unserer 66 Kreistagsmitglieder zeigt
zudem, dass der größte Teil schon altersbedingt zur Corona-Risikogruppe
gehört. Auch gegenüber den Kreisbediensteten, die sich bei Tagungen der
Gremien in den Sitzungssälen zusätzlichen Infektionsgefahren ausgesetzt
sähen, haben wir als Fraktionen eine wahrzunehmende Fürsorge- und
Sorgfaltspflicht.

Ich möchte Ihnen gegenüber dafür plädieren, dass wir mit gutem Beispiel
vorangehen und jetzt die Entscheidungskompetenz des Kreistages auf den
Kreisausschuss delegieren. Dieser kann dann in üblicher Zusammensetzung
unter Beachtung strenger Hygiene- und Abstandsregelungen im großen
Sitzungssaal tagen. So wäre der demokratischen Legitimation vollumfänglich
Rechnung getragen, ohne den Einfluss der Politik zu schmälern.

Wie die Willensbildung und die Fraktionsabstimmungen erfolgen, muss jede
Fraktion für sich entscheiden.

Einer Rückmeldung Ihrerseits sehe ich mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Gerd Drüten

Fraktionsvorsitzender

 

Hier finden Sie den Brief im PDF-Format.