Der Parteitag des SPD Unterbezirkes Kreis Wesel bekräftigt die Anforderungen, an de-nen sich eine künftige Regierungsbeteiligung der SPD in einer Großen Koalition messen lassen muss und richtet diese Resolution an die Delegierten des Bundesparteitages in Karlsruhe.
1.Ziele des Regierungshandelns 2005 – 2009
·Ziel muss es sein, eine starke, dynamische sich entfaltende Wirtschaft zu fördern, aus der sich mehr Beschäftigung und Wohlstand entwickelt, zugleich aber auch einen Ausgleich ökonomischer und ökologischer Zielkonflikte sicherzustellen.
·Es geht darum, den Staat so weiterzuentwickeln, dass er handlungsfähig ist und den Menschen ein höchstes Maß an Sicherheit gewährleistet.
·Unverrückbares sozialdemokratisches Ziel ist, eine Gesellschaft zu gestalten, die solidarisch und gerecht ist.
2.Erste SPD Erfolge
Der Unterbezirks-Parteitag begrüßt ausdrücklich erste sozialdemokratische Verhand-lungserfolge, als da sind:
·Ausbau der Investitionen für Forschung und Entwicklung vom Jahre 2010 an auf 3 % des Bruttoinlandsproduktes,
·Sicherung der Tarifautonomie,
·Weiterentwicklung der sozialdemokratisch geprägten Familienpolitik durch Ein-führung eines gleichen steuerlichen Grundfreibetrages für Eltern und Kinder so-wie Einführung eines Elterngeldes,
·Vereinfachung des Einkommenssteuerrechtes mit dem Ziel erhöhter Transpa-renz, Effizienz und Gerechtigkeit. Dies schließt ein, dass immer noch bestehende Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Die soziale Komponente wird auch da-durch gewahrt, dass die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzu-schlägen erhalten bleibt.
3.Prüfsteine für die Koalitionsvereinbarung
Das Ergebnis der Bundestagswahl führte zu einer grundlegenden Klarstellung durch die Wählerinnen und Wähler. Die Mehrheit hat sich für Sozialstaatlichkeit und innere Refor-men mit sozialer Balance und entschieden gegen „Marktwirtschaft pur“ ausgesprochen. Die Menschen wollen keine andere Republik. Sie wollen die Werte Europas bewahren, die im Kern den Werten der sozialen Demokratie entsprechen. Diese Werte unter gra-vierend veränderten ökonomischen und sozialpolitischen Bedingungen neu zu interpre-tieren und den Sozialstaat zukunftsfest zu machen, ist die zentrale Aufgabe der SPD.
Maßstab für die Tragfähigkeit einer Koalitionsvereinbarung ist deshalb, dass in ihr Kern-elemente des Wahlmanifestes deutlich erkennbar sind.
3.1Volkswirtschaftliche Dimension der Haushaltskonsolidierung; Investitionsfähigkeit des Staates stärken
Die öffentlichen Haushalte müssen nachhaltig entschuldet, die sozialen Sicherungssys-teme auch für künftige Generationen zukunftsfest gemacht werden.
Haushaltskonsolidierung ist kein Selbstzweck, sondern muss die volkswirtschaftlichen Bedingungen/Wirkungen und Aspekte der sozialen und kulturellen Symmetrie berück-sichtigen.
·Haushaltskonsolidierung muss konjunkturelle Entwicklungen sensibel einbezie-hen und das Wirtschaftswachstum stützen.
·Der Konsolidierungspfad ist so auszulegen, dass konsumtive Staatsaufgaben bei gleichzeitiger Entschuldung in Investitionen für zukunftsträchtige Projekte umge-schichtet werden können.
·Ausgabenkürzungen sind sozial ausgewogen vorzunehmen.
Belastungen sind entsprechend der Leistungskraft des/der Einzelnen zu verteilen.
3.2Aktiver Staat und demokratische Handlungsfähigkeit
Ein leistungsfähiger Staat mit einer funktionsfähigen technischen und sozialen Infrastruk-tur ist unverzichtbar für soziale Demokratie. Deshalb muss der Staat in der Lage sein, seine Leistungen auf der Grundlage einer hinreichenden Finanzausstattung auch tat-sächlich erbringen zu können. Angesichts des gegebenen strukturellen Haushaltsdefizit sind deshalb weiteren Steuerentlastungen auf absehbare Zeit nicht möglich.
Hohe Jahreseinkommen (Ledige 250.000 € / Verheiratete 500.000 €) sind durch einen gesonderten Steueraufschlag an der Finanzierung der Bildungsausgaben zusätzlich he-ranzuziehen (Reichensteuer für Bildung).
Die Handlungsfähigkeit des Staates erweist sich auch darin, dass er unter Wahrung des notwendigen öffentlichen Diskurses und geordneter parlamentarischer Verfahren in der Lage ist, zügig Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Zumindest die bisher einver-nehmlich erarbeiteten Ergebnisse der Föderalismuskommission müssen rasch umge-setzt werden.
3.3Stärkung der Wirtschaftskraft; Sicherung von Arbeitnehmerrechten und aktivie-rende Arbeitsmarktpolitik
Im Interesse der Sicherung des Wohlstandes insbesondere auch künftiger Generationen ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik so auszurichten, dass die Beschäftigung gestärkt wird. Dies erfordert auch auf der europäischen Ebene, dass unter makroökonomischen Aspekten die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik eng miteinander verzahnt und har-monisiert werden.
Dies schließt eine Ausgestaltung von Mindestlöhnen oder andere geeignete Instrumente, die Erweiterung des Entsenderechts aber auch die Stärkung der Mitbestimmung ein.
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie ist mit dem Ziel grundlegend zu überarbeiten, der Har-monisierung Vorrang vor einer undifferenzierten Liberalisierung zu geben.
Die derzeitige Ausgestaltung des Kündigungsschutzes ist eine sachgerechte Antwort auf die Fragen des flexiblen Arbeitsmarktes.
Das Arbeitslosengeld II für Leistungsbezieher in Ost und West muss angeglichen wer-den.
Der Monitoringbericht über die Wirkungen der Arbeitsmarktreformen ist auszuwerten, notwendige Anpassungen sind zeitnah im Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.
3.4Ökologische Modernisierung
Ein ausgewogener Energiemix unter Einbeziehung der heimischen Steinkohle muss Grundlage der weiteren Energiepolitik sein. Zugleich ist die ökologische Modernisierung fortzusetzen und zu verstärken. Der Ausstieg aus der Atomkraft ist nicht umkehrbar. Mit unserer Strategie „weg vom Öl“ wollen wir die Energieproduktivität um mindestens 2,5 Prozent pro Jahr steigern und den Anteil der Erneuerbaren Energien auf 25 Prozent bis zum Jahr 2020 erhöhen. Wir halten am Erneuerbare-Energien-Gesetz fest.
3.5Bildung, Innovation und Kultur
Die Investitionen in Bildung und Betreuung, Forschung und Entwicklung müssen schnell und umfassend gesteigert werden. Dazu gehören der Ausbau der Betreuungsangebote ab dem ersten Lebensjahr, weitere schulische Ganztagseinrichtungen, und die Errei-chung des 3-Prozent-Ziels für Forschung und Entwicklung am Bruttosozialprodukt ab dem Jahr 2010.
Allen Jugendlichen unter 25 Jahren muss ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zur Verfü-gung stehen. Wir wollen die Studienquote anheben, dafür brauchen wir ein starkes BA-föG. Studiengebühren lehnen wir ab.
Die Weiterbildung als vierte Säule der Bildungsangebote muss ausgebaut werden. Wir müssen mehr Menschen die Chance auf Fort- und Weiterbildung eröffnen, indem wir Fördermöglichkeiten für Bildungsbenachteiligte schaffen und die Durchlässigkeit zwi-schen den Ausbildungsgängen erhöhen.
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz muss Bundesgesetz bleiben. Die Kooperation von
Schule, Jugendhilfe und außerschulischer Bildung muss verbessert werden.
Kultur ist als Staatsziel zu verankern. Eine aktive und kreative Kultur ist das Lebenselixier für die Demokratie und die Humanität unserer Gesellschaft. Der wirtschaftlichen und so-zialen Situation der Künstlerinnen und Künstler muss unser besonderes Augenmerk gel-ten. Dies gilt insbesondere für die Stabilisierung der Künstlersozialversicherung, aber auch im Hinblick auf die Wirkungen der Arbeitsmarktreformen.
3.6Soziale Sicherheit und Solidarität
Die Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung als wichtigster Säule der Alters-sicherung ist sicherzustellen.
Das tatsächliche Renteneintrittsalter ist an die gesetzlich festgeschriebene Rentenein-trittsgrenze heranzuführen.
Eine mögliche Erhöhung des Renteneintrittsalters muss so ausgestaltet werden, dass der Kerngedanke des Generationsvertrages nicht unterlaufen wird und die davon Betrof-fenen eine Chance haben, dies in ihre persönliche Lebensplanung einzubeziehen.
Unabhängig vom grundlegenden Konzept der Bürgerversicherung sind Strukturreformen im Gesundheitswesen voranzutreiben. Diese müssen aber so angelegt sein, das eine hohe Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten zu bezahlbaren Bedingun-gen gewährleistet bleibt.
3. 7 „Aktives“ Altern ermöglichen – demographischen Wandel meistern
Aufgrund der steigenden Lebenserwartung ist eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Alterung der Gesellschaft vonnöten. Es gilt, eine Seniorenpolitik zu präzisieren, die die Chancen und Potenziale des Alters betont, die gesellschaftliche Teilhabe fördert und die Vielfalt im Alter respektiert.
Der Begriff des lebenslangen Lernens darf nicht zu einem bildungs- oder seniorenpoliti-schen Slogan verkommen. Die strikte Differenzierung in eine Phase der Bildung (Ju-gend), in eine der Berufsfähigkeit und in eine weitere der Freizeit (Alter) muss aufgege-ben werden. Stattdessen brauchen wir mehr Gleichzeitigkeit von Bildung, Erwerbstätig-keit und Freizeit.
3.8Bürgerrechte und Antidiskriminierung
Wir wollen eine offene und liberale Gesellschaft, in der die Bürgerrechte gewahrt und in der die Menschen nicht diskriminiert werden. Dies beinhaltet auch, dass rechtstaatliche
Prinzipien bei der Bekämpfung des Terrorismus strikt beachtet werden. Deshalb kommt
der Sicherung von Freiheitsrechten hohe Bedeutung zu. Hierzu gehören zur Gewährleis-tung der informationellen und kommunikativen Selbstbestimmung ein moderner Daten-schutz sowie die Sicherung der Presse- und Informationsfreiheit.
Eine Militarisierung der Inneren Sicherheit lehnen wir ab. Wir bleiben bei dem bewährten
Prinzip der klaren Trennung zwischen den Aufgaben der Streitkräfte und der Polizei für die äußere und für die innere Sicherheit.
Ein fortschrittliches Antidiskriminierungsgesetz ist unverzichtbar. Niemand darf wegen der Merkmale Geschlecht, Alter, Religion/Weltanschauung, Ethnie, sexuelle Identität o-der Behinderung benachteiligt werden.
Das Zuwanderungsrecht muss weiter ausgestaltet werden. Wir wollen ein gesichertes
Aufenthaltsrecht für alle diejenigen Ausländerinnen und Ausländer erreichen, die seit vie-len Jahren nicht in ihre Heimat zurückkehren können, damit sie und ihre in Deutschland
geborenen oder aufgewachsenen Kinder eine Perspektive erhalten.
3.9Europa, internationale Friedenspolitik und gerechte Gestaltung der Globalisierung
Das Ringen um eine gemeinsame europäische Verfassung, die Demokratisierung der EU und eine Reform ihrer Institutionen bleiben unverzichtbar. Die Zusammenarbeit und der Zusammenschluss in Europa müssen vertieft werden. Der stockende Verfassungspro-zess ist durch einen breiten inner- und zwischenstaatlichen Diskurs wieder zu beleben.
Unsere Politik für Frieden, Prävention und Entwicklung im Sinne der Millenniumsziele ist
fortzusetzen. Dazu gehört auch die stufenweise Erhöhung der Mittel für Entwicklungszu-sammenarbeit.
Eine friedliche Welt ohne Hunger und Armut ist ohne eine gerechte Gestaltung der
Globalisierung nicht möglich. Deshalb muss den Entwicklungsländern eine faire Teilhabe am Welthandel ermöglicht werden. Dazu müssen die Industrieländer unter anderem ihre
handelsverzerrenden Agrarsubventionen einstellen und den Entwicklungsländern durch
Zollsenkungen einen besseren Marktzugang gewähren. Weltweit sollen Mindestumwelt- und Sozialstandards wie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) durchgesetzt werden.